EL OLIVO – DER OLIVENBAUM / Info / Der Olivenbaum

Der Olivenbaum

Den Olivenbaum, wie wir ihn vor allem aus den alten Hainen des Mittelmeerraums kennen, gibt es ohne die unablässige Bearbeitung durch die Menschen nicht – die Wildform wächst als Busch. Die Kulturform des Olivenbaumes entstand vermutlich im Zwei-Strom-Land zwischen Euphrat und Tigris, in einer Region also, in deren Umkreis sich auch die drei großen monotheistischen Weltreligionen entwickelt haben. In diesen Religionen haben der Olivenbaum und seine ölhaltigen Früchte sehr früh eine symbolische und sakrale Bedeutung erhalten. Das Alte Testament zeugt mit seinen vielfältigen Erzählungen und Beschreibungen zur Herstellung von Salbölen und ihrer Verwendung für religiöse Riten davon, aber auch von der Kultivierung des Busches zu einem Baum, von seiner Pflege, von der Ernte und der Gewinnung des Olivenöls.

El Olivo – Oliven

Der Olivenzweig, mit dem – nach der biblischen Erzählung von der Sintflut – die Taube im Schnabel zur Arche Noah zurück flog, symbolisiert bis heute das Leben und den Frieden; in griechisch-orthodoxen Kirchen finden sich Näpfchen mit Olivenöl statt mit Weihwasser, und auch die Taufe erfolgt hier mit Olivenöl.

Kreta gilt als die Wiege des Olivenbaums im Mittelmeerraum, von wo er sich dann auch auf die Inseln und das Festland ausbreitete. Seine Bedeutung spiegelt sich in den frühen griechischen Schriften zur Heilkunde wie auch in der griechischen Mythologie wieder: Zeus beendet den Streit zwischen Athene und ihrem Bruder Prometheus mit einem Wettkampf. Prometheus schlägt seinen dreizackigen Speer in einen Fels und erzeugt damit eine Wasserquelle. Athene stößt einen Stab in den staubigen Boden, und es erwächst daraus ein Olivenbaum. Vater Zeus erklärt sie zur Siegerin und überträgt ihr die Herrschaft über die strittige Stadt, die fortan Athen heißt. Bis heute gilt es in Griechenland als Frevel, Olivenbäume an Fremde zu verkaufen. So kann es vorkommen, dass ein Grundstück zwar verkauft wird, die darauf stehenden Olivenbäume aber im Besitz der Familie bleiben, von ihnen weiter gepflegt und jedes Jahr beerntet werden.

Unter der Herrschaft der Römer verbreiteten sich die Olivenbäume dann in alle Regionen rund um das Mittelmeer, und Olivenöle wurden zu einem bedeutenden Handelsgut und Wirtschaftsfaktor. Neben die sakrale und heilkundliche Bedeutung von Olivenöl trat auch die alltägliche, profane Verwendung: in Kosmetika, in Öllampen zur Lichterzeugung – Olivenöl verbrennt rußfrei und geruchlos, und mit seinem hohen Brennwert ersetzte es Holzkohle zum Ausrösten von Kupfer. Das Olivenöl folgte auch den römischen Eroberungszügen bis in den europäischen Norden. So beschrieb Hildegard von Bingen es als wahres Wunderzeug für die Heilkunde, man solle es aber nicht essen, es schmecke scheußlich.

Zu allen Zeiten wurde die herausgehobene Bedeutung des Olivenöls mit seinem Non-Food-Nutzen beschrieben, weit weniger sein Wert als Nahrungsmittel oder gar der Genuss seiner reichhaltigen Inhaltsstoffe. Die Jahrtausende währende Olivenölgewinnung mit Steinmühlen, Mattenpressen und Absetzbecken erlaubte es gar nicht, ein wirklich schmackhaftes Produkt zu erzeugen. Die Oxidation konnte nicht unterbunden werden, sie wurde durch die Methoden sogar beschleunigt, so dass die Olivenöle von Anbeginn überreif waren und schnell ranzig wurden. Erst mit der Einführung der Zentrifuge ab den 1960iger Jahren, die schnell das Öl vom Wasser trennen konnte, eröffneten sich Wege, Olivenöl auch als Nahrungsmittel neu zu entwickeln.

El Olivo – Olivenölmühle

OlivenÖl aus der Fettecke holen

An dem geschmacklichen Urteil von Hildegard von Bingen hat sich bis heute nicht viel geändert. Übliches Olivenöl schmeckt noch immer meistens schlecht und bleibt weit unter seinen natürlichen Möglichkeiten. Um Olivenöl aus der Fettecke zu holen, gilt es, das Besondere dieses Naturprodukts zu entdecken. Es liegt darin, dass dieses Öl aus dem Fruchtsaft der Oliven gewonnen wird, ganz anders als bei den Kernölen aus Mandeln, Haselnüssen, Sonnenblumenkernen oder Rapssamen. Neben den mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Olivenkern, die der späteren Ernährung des Keimlings dienen, wandeln Oliven im Reifungsprozess in ihren Fruchtzellen den dort gebildeten und aufgeschatzten Fruchtzucker zur energetischen Versorgung der Frucht in einfach ungesättigte Fettsäuren um. Die ergeben das eigentliche und wertvolle Olivenöl, weil sich in ihnen die ebenfalls in den Fruchtzellen gebildeten, wertvollen sekundären oder bioaktiven Begleitstoffe und Aromen bzw. ihre Ausgangsstoffe einlagern.

So wie es die Kunst eines Winzers ist, aus seinen Weintrauben ein hoch aromatisches und wohlschmeckendes Getränk zu gewinnen, nicht aber optimal viel Zucker, so wäre es die vergleichbare Aufgabe und Kunst eines „Oliviers“ die Typizität (Terroir) des jeweiligen Olivenöls zu gewinnen – und nicht möglichst viel Öl. Das ist aber vielfach noch Zukunftsmusik, die tatsächliche Marktsituation steht dieser Entwicklung entgegen.

Weil Olivenöl seit Jahrtausenden ein bedeutendes Wirtschaftsgut darstellt, begleiten durch alle Zeiten auch seine Verfälschung und der Betrug die Erzeugung und den Handel, immer zum Nachteil der Erzeuger und Verbraucher. Seit Gründung des europäischen Wirtschaftsraumes mit der EWG und heutigen EU gilt Olivenöl bis heute unangefochten als das am meisten mit Betrug behaftete Lebensmittel. Der Betrug ist ein Milliardengeschäft, den auch eine frühzeitig zur Abwehr eingeführte Olivenöl-Verordnung bisher nicht eindämmen konnte. Die Olivenölverordnung sollte aber ähnlich wie beim Wein Güteklassen definieren, sie von einander abgrenzen und für die Verbraucher transparent machen. Eine Auslesequalität und damit höchste Güteklasse soll danach ein Natives Olivenöl Extra sein, wobei „nativ“ für die Gewinnung nur mit mechanischen Verfahren und ohne Wärmebehandlung steht. In Qualitätsabstufungen werden dann weitere Klassen definiert.

Schaut man sich die Grafik der Verteilung von tatsächlicher Produktion und dem Angebot am Markt an, wird der Betrug leicht sichtbar. Für Verbraucher ist es schwer ersichtlich, welches der nahezu ausschließlich angebotenen Nativen Olivenöle Extra denn nun ein echtes solches Spitzenprodukt ist. Um das beurteilen zu können, braucht man wie beim Wein eine ganze Reihe verlässlicher Informationen, möglichst bis hin zum einzelnen Erzeuger, den Lagen und Olivensorten. Und, wiederum wie beim Wein, muss man die Möglichkeit zur Verkostung verschiedener Olivenöle haben, auch unter fachlicher Anleitung, was es bislang nur selten gibt.

Es ist heute an den Verbrauchern, mit ihrer Nachfrage und ihren Nachfragen den Zusammenhang zwischen der kulturhistorischen Bedeutung und einer modernen Entwicklung von Olivenöl als gesundheitlich wertvollem und genussreichem Lebensmittel herzustellen. Die Erhaltung der alten Haine mit den „Jahrhundertbäumen“, die auch über tausend Jahre zählen können, hat dabei auch eine symbolische Bedeutung: Sie sind mit ihrer Überlebensenergie, ihrer knorrigen Zähigkeit und Schönheit Mut machende Sinnbilder für diese Aufgabe.

Conrad Bölicke
arteFakt Olivenölkampagne
www.artefakt.eu